Nils Binnberg
Michaelkirchstraße 12
10179 Berlin

post@nilsbinnberg.de

GQ Style

September 2011

Der Rockstar

Herr Jacobs, wo haben Sie Ihre Pelzstola von Prada gelassen? Finden Sie nicht, dass es dafür noch etwas zu warm ist?

Miuccia Prada hat sie doch offiziell sogar als Sommerteil entworfen! Sicher. Es ist ja auch nicht so, dass sie mir nicht mehr gefällt. Ganz im Gegenteil: Ich besitze sogar gleich mehrere davon. Aber, sorry, Miuccia, heute ist sie mir zu warm.

Neben Pelzschal und XXL-Birkin-Bag tragen Sie manchmal auch Teile aus Ihrer eigenen Frauenkollektion. Irren wir uns, oder haben Sie ein Faible für Drag? Ach was, das ist doch bloß Kleidung. Ich trage, was ich will. Ob das dann Drag ist? Keine Ahnung. Ich bin auf jeden Fall kein Cross-Dresser oder so was. Frauenmode ist kein Fetisch von mir.

Dass der Schottenrock zu Ihrer Daueruniform wurde, liegt also einfach daran, dass Sie Ihre muskulösen Beine zeigen wollen? Das hat sich so ergeben. Ich glaube, es war vor drei Jahren. Ich arbeitete gerade an einer neuen Kollektion. Dann bin ich immer tagelang im Atelier eingesperrt und sehne mich nach Ablenkung. Also schickte ich meinen Assistenten zu Barneys, damit er dort nach ein paar ausgefallenen Hosen oder irgendetwas gucken sollte, das mich aufheitern könnte. Er kam mit dem Kilt zurück, ich schlüpfte rein, fühlte mich wohl, und seither trage ich ihn. Ich mag einfach den Look. Und ja: Es ist eine großartige Möglichkeit, die Beine zu zeigen.

Ihre Verwandlung vom Nerd zum Sportguru ist eine der großen Modegeschichten der vergangenen Dekade. Ist Ihr Körper auch nur ein weiteres Ihrer Designprojekte? Nein, es war wirklich nur so ein Gesundheitsding. Ich hatte lange Zeit Magenprobleme. Also ging ich irgendwann zum Ernährungsberater. Er legte mir nahe, Diät zu halten, Sport zu treiben…

…und auf Drogen zu verzichten? Auch das. Aber das hatte ich schon vorher im Griff.

Aber Kettenraucher sind Sie nach der Radikalkur anscheinend immer noch. Sogar ein leidenschaftlicher. Meine Birkin ist randvoll mit Zigarettenschachteln. Das ist ihre wahre Bestimmung. Nein, ich gebe zu: Das Rauchen ist einfach eine schlechte Angewohnheit. Aber soll ich wirklich auf alles verzichten? Ich habe bereits meinen ganzen Lifestyle geändert. Was großartig ist. Mir gefällt es inzwischen, regelmäßig ins Gym zu gehen, es kostet mich keine Überwindung mehr. Es gibt mir einen regelrechten Kick zu beobachten, wie ich mich körperlich verändere.

Von Ihrem supertrainierten Body können wir uns in der Kampagne Ihres Männerdufts „Bang“ ein Bild machen, die von Juergen Teller geschossen wurde. Ist er wirklich das Ergebnis von hartem Training oder das von Photoshop? Honey, Juergen benutzt kein Photoshop. Juergen ist erbarmungslos. Er macht ein Bild, und so wird es gedruckt. Fertig.

Hatten Sie keine Angst, sich vor ihm auszuziehen? Trotz Ihres fantastischen Körpers: Seine Fotografien sind mitunter ehrlicher, als einem lieb ist. Ich hatte überhaupt keine Angst. Wir haben uns da herangetastet. Zuerst haben wir es sogar mit Kleidung versucht. Das sah aber irgendwie falsch aus. Bei einer Parfümkampagne für Männer geht es mehr um Haut als um Klamotten, finde ich. Denken Sie doch mal an die Anzeige von Yves Saint Laurent. Dieses berühmte Foto von Jeanloup Sieff vom nackten Yves. Das strahlt eine ungeheure Männlichkeit aus.

Sprechen wir über ein weiteres Ihrer Laster. Tätowierungen. 2008 waren es 28 …

Inzwischen sind es 33.

Wann waren Sie das letzte Mal in Brooklyn bei Ihrem Haustätowierer Scott Campbell? Vergangenes Jahr. Als ich sein Studio verließ, war ich wieder um ein Motiv reicher. Dieses Mal handelt es sich um einen Donut. Er liegt wie ein Ring um meinen Ellbogenknochen, dekoriert mit rotem Zuckerguss und ein paar bunten Streuseln.

Als eingestochene Antithese zu Ihrer Diät? Interessante Theorie. Aber nein, diese Tätowierung hat sich wie alle anderen ganz zufällig ergeben. Aus einer Laune heraus. Und aus Spaß.

Okay, aber die anderen Motive – Ihr Alter Ego als Simpson-Figur, die M&M-Männchen und der legendäre SpongeBob – lassen auf eine Vorliebe für Cartoons schließen. Ich liebe Cartoons. Aber auch da habe ich aus dem Bauch heraus gehandelt. Für das SpongeBob-Motiv entschied ich mich, als ich vor ein paar Jahren mit Richard Prince an dem Taschenprojekt für Louis Vuitton arbeitete. Er sagte mir, die Figur sei Kunst. Mir gefällt sie einfach.

Welche Impulse nehmen Sie aus der Zusammenarbeit mit dem New Yorker Graffitikünstler Bäst mit, nachdem Sie mit ihm an Ihrer aktuellen Männerkollektion gearbeitet haben? Da muss ich passen, da scheinen Sie besser informiert zu sein als ich. Wissen Sie: Ich kümmere mich nicht sonderlich um die Männerlinie.

Warum gibt es dann Männermode von Marc Jacobs? Weil es ein Business ist. Weil unsere Kunden es erwarten. Also überlasse ich es einem Team, das eine Leidenschaft für Männermode hat. Ich habe schon genug mit den Frauenkollektionen zu tun, die ich für mein eigenes Label und Louis Vuitton entwerfe.

Aber im Etikett steht Ihr Name! Richtig. Ursprünglich habe ich die Kollektion ja auch mal selbst entworfen. Da waren es aber nur ein paar Pullis, zwei Hosen und ein Hemd. Eine überschaubare Kollektion, die ich für mich persönlich entworfen hatte. Irgendwann wurde es aber zum Business – und ich war überfordert von dem Aufwand, den das nach sich zog. Da ich beim Entwerfen der Männersachen nie mit ganzem Herzen dabei gewesen war, entschied ich mich, die Kollektion einfach einem Team zu übergeben, das sich tatsächlich für Männermode interessiert. Wissen Sie: Ich mache mir einfach nichts aus Männerkollektionen. Dafür gibt es geeignetere Kandidaten.

An wen denken Sie? Was Lucas Ossendrijver für Lanvin macht, finde ich großartig. Überhaupt kennen viele der jungen Designer auch bei Männermode keine Grenzen mehr, befolgen keine Regeln und sind wahnsinnig kreativ in ihrem Job. Da gibt es viele Talente.

Sie waren gerade Schirmherr des Designer for Tomorrow Award bei der Berliner Modewoche. Eine Art Workshop-Version dessen, was in den USA als Fernsehshow läuft, „Project Runway“: Junge Designtalente werden per Casting gesucht. Was halten Sie von solchen TV-Formaten? Ganz ehrlich? Mein Fernseher ist die meiste Zeit aus. Daher kann ich nichts über die Sendung sagen. Ich habe nur gehört, dass sie recht erfolgreich sein soll.

Auf gawker.com stand kürzlich, Sie würden bald bei der schwulen Version der Doku-Serie „The Real Housewives“ mitmachen? Ach, wenn man all diesen Gerüchten über mich Glauben schenken würde … Nein, ich plane nicht, bei einer TV-Show mitzumachen. Da würde ich noch eher meine Männerlinie selbst designen. Mein Leben ist schon so eine einzige Doku-Soap. Aber eine, die ganz bestimmt nicht ins Fernsehen gehört.

Nach Oben