INTERVIEW: Frau von Fürstenberg, das Motto Ihrer Kollektion für den kommenden Sommer ist Fortuna, die Göttin des Glücks und Schicksals. Hatten Sie Glück im Leben?
DIANE VON FÜRSTENBERG: Aber ja. Darauf mit Nein zu antworten, wäre äußerst undankbar von mir.
Warum? Weil Sie als bürgerliche Frau mit der Heirat von Prinz Egon in den europäischen Adel heirateten, plötzlich zum Jetset von Cortina d’Ampezzo, der Costa Smeralda und der New Yorker Upper East Side gehörten?
Ich kann das nun wirklich nicht an einem bestimmten Moment festmachen. Ich würde sagen, so zwischen 22 und 29 lief es fantastisch für mich. Ich heiratete und brachte zwei wunderbare Kinder zur Welt, ich kam nach Amerika, gründete dort mein eigenes Modeunternehmen, hatte sehr großen Erfolg mit meinem Wrap Dress, war auf den Covern von Interview, Newsweek und The Wall Street Journal – all das in dieser kurzen Zeit. Alles danach war nur noch eine Wiederholung dessen.
Sie verdanken Ihren kommerziellen Erfolg einer netten Pointe: Die adelige Stardesignerin Diane von Fürstenberg steht jahrelang am Rande der Firmenpleite, Anfang der 90er-Jahre verkauft sie dann ihre Kleider auf einem Teleshopping-Kanal und ist plötzlich gefragter denn je. Empfanden Sie das als Glücksmoment?
Nein, ich fühlte mich wie eine Verliererin. Aber trotz allem war ich, wie soll ich es sagen – obwohl ich am Boden war, zeigte ich das nie. Ich habe sehr viel Kreide fressen müssen und fühlte mich erniedrigt und gedemütigt. Aber das Blatt wendete sich zu meinen Gunsten.
Heute machen Sie 500 Millionen Dollar Umsatz. Das wird nicht nur Ihrem Glück geschuldet sein.
Ich lebte ganz einfach den American Dream. Ich hatte erst mal keinen Schimmer, was ich machen wollte. Dann kam mir die Idee mit dem Wrap Dress, ich machte daraus ein Business und hatte Glück, zur richtigen Zeit im richtigen Land zu sein und die richtige Energie zu haben, meinen Plan durchzuziehen. Ich bekam mehr und mehr Selbstbewusstsein und verkaufte dieses Gefühl mit meinem Wrap Dress an die Frauen. Mir war damals gar nicht klar, dass ich nicht bloß ein Kleid geschaffen hatte, sondern ein Fashion Statement. Das kann man nicht planen. Das ist etwas, das einfach so passiert.
Michelle Obama trug ein Wrap Dress für ihr erstes offizielles Weihnachtsfoto vor dem Weißen Haus. Ingrid Betancourt kaufte sich eines nach der Geiselhaft im kolumbianischen Urwald. Warum sind Frauen auch 40 Jahre nach seiner Erfindung noch so verrückt danach?
Weil es sexy ist, gleichzeitig angezogen wirkt und Kraft ausstrahlt. Die Sorte Kleid, mit der man einen Mann verführt und gegen die seine Mama nichts hat.
Wann haben Sie gemerkt, wie verführerisch Sie auf Männer wirken?
Oh, das ist lange, sehr lange her. Aber für so etwas bin ich inzwischen viel zu alt.
Heute sind Großmütter so sexy wie Carine Roitfeld, tragen Bleistiftrock und Stilettos.
Ja, aber warum sollte ich meine Zeit damit verschwenden, die ganze Zeit darüber nachzudenken, ob ich noch sexy bin? Wer will das denn noch sein, wenn man es lange hatte? Viel wichtiger ist es doch, dass man ein erfülltes Leben hat. Dann ist es egal, dass man altert. Altern ist nur frustrierend, wenn man auf sein Leben zurückblickt und denkt: Ich wünschte, ich hätte dieses oder jenes gemacht, es aber nie gemacht hat.
Sind Sie eitel?
Ich sage ja nicht, dass es mir leichtfällt, jeden Tag in den Spiegel zu blicken und zu sehen, dass ich älter werde. Aber was soll ich dagegen machen? Das Alter lässt sich nicht kontrollieren, nur die Art, wie man damit umgeht.
Verraten Sie sie uns.
Der Vorteil am Alter ist, dass es ein Beleg dafür ist, dass man gelebt hat, nicht wahr? Sie wissen nicht, ob Sie jemals so alt werden wie ich. Ich weiß, dass ich 69 Jahre alt geworden bin. Diese Sicherheit gibt mir Kraft. Außerdem habe ich sehr gute Bilder von mir. Ein guter Rat: Wenn Sie sich heute auf einem Foto nicht gefallen, warten Sie einfach zehn Jahre. Sie werden es lieben.
Als junge Frau lebten Sie mit der Familie an der Upper East Side, wo der Altersdurchschnitt bei 60 liegt. Mit 65 bezogen Sie ein Penthouse im angesagten Meatpacking District. Hatten Sie eine Midlife-Crisis?
Ich weiß nicht, was Midlife ist. Wann soll das sein? Ich hatte viele Krisen in meinem Leben. Mir gefiel es nicht, 40 zu sein. Das war eine schwierige Phase. Aber das hatte rein gar nichts mit dem Alter zu tun, sondern damit, dass die Geschäfte schlecht liefen.
Giorgio Armani hat angekündigt, seine Firma aufzulösen, wenn er aufhört, Donna Karan hat es kürzlich sogar so gemacht. Wie soll es mit Diane von Fürstenberg weitergehen?
Hinter den Kulissen arbeite ich bereits an einer Lösung. Ich habe vor einiger Zeit einen CEO eingestellt. Im Moment sind alle Zutaten noch in der Küche. Beziehungsweise: Eigentlich suchen wir noch nach den richtigen Zutaten. Sobald wir ein Rezept haben, werde ich mich aus dem Unter- nehmen zurückziehen. In ein paar Monaten werden Sie sehen, wie es weitergeht.
Nie daran gedacht, das Unternehmen zu verkaufen?
Nein. Ich brauche meine Freiheit. Es gibt nichts Wichtigeres als das.
Was schätzen Sie an Ihrer Unabhängigkeit?
Ich bin ein gebranntes Kind, bin oft gescheitert und war auf mich allein gestellt. Mein Geheimnis ist, dass ich immer einfach weitergemacht habe, immer wieder aufgestanden bin, wann immer ich am Boden lag. Ich habe kürzlich mit Alber Elbaz telefoniert.
Der Designer, der nach 14 Jahren von seinem Chefposten bei Lanvin gefeuert wurde.
Ja, und ich sagte ihm: Alber, im Moment denkst du, das ist das Schlimmste, was dir je zugestoßen ist. Aber in ein paar Jahren wirst du zurückblicken und erkennen, dass es dir eine Chance für etwas Neues ermöglicht hat. Eine Tür geht zu, eine andere öffnet sich. Man hat ja keine Wahl, nicht wahr? Man muss mit dem zurechtkommen, mit dem man zurechtkommen muss.
Von wem haben Sie diesen Pragmatismus geerbt?
Keine Ahnung. Aber es stimmt. Ich war schon immer sehr pragmatisch. Vollkommen pragmatisch. Ich war kürzlich bei einer Gedenkfeier. Die Gäste zeigten sich tief betroffen und waren äußerst traurig. Da hätte ich ihnen am liebsten zugerufen: Warum seid ihr so traurig? Wir werden dort alle landen. Ganz sicher sogar. Darum sage ich noch mal: Am besten, man nutzt jede Chance, das Leben zu führen, das man sich wünscht. Ich wollte immer das Leben eines Mannes führen im Körper einer Frau – und das habe ich gemacht.
Sind Sie eine Feministin?
Ja. Eine mit ganz großem F. Ich unterstütze Frauen, wo ich kann. Aber ich mag auch Männer.
Es heißt, Sie hätten Ihren Prinzessinnentitel für die Feministin Gloria Steinem abgelegt.
Das stimmt tatsächlich ein wenig. Sie hat das Leben aller Frauen unglaublich stark beeinflusst und flößte mir einfach Ehrfurcht ein. Ich sollte ihr kürzlich einen Preis übergeben und dachte daran, darüber zu sprechen. Aber dann war ich mir nicht mehr sicher, ob es so war. Denn ich legte den Titel auch nach der Scheidung von meinem ersten Mann, Prinz Egon, ab.
Fiel es Ihnen schwer, den Titel nicht mehr zu benutzen?
Manchmal setze ich ihn heute noch ein. Aber nur in Hotels, wenn ich ein Upgrade bekommen will.
Sind Sie entspannter als früher?
Man ist immer gestresst, wenn man sich im Leben an einem Wendepunkt befindet – was bei mir ja irgendwie immer der Fall ist. Aber fühle ich mich davon gestresst? Niemals.